Aikido ist Freundschaft – L’aïkido, c’est l’amitié
Fotos vom Lehrgang
Aikido ist Freundschaft. Dies gilt nicht nur aufgrund des besonderen, partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Uke und Nage während des Trainings, sondern auch da Aikido die freundschaftliche Begegnung von Menschen aus unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen fördert. Getreu diesem Motto pflegen der KSV Herne und der französische Le Cercle d’Aïkido Traditionnel seit mehr als 20 Jahren eine intensive „Aikido-Freundschaft“. Regelmäßig alle zwei Jahre fanden in den vergangenen beiden Jahrzehnten dazu gemeinsame Lehrgänge im Wechsel mal in Deutschland mal in Frankreich statt. Getragen wurde diese Freundschaft lange Jahre von persönlichen Verbindungen der beiden Meister Horst Glowinski (7. DAN) sowie von Jacques Valere (7. DAN), denen als hochrangigen Aikido-Lehrer auch die inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Lehrgänge oblag. Das letzte sogenannte „Franzosen-Treffen“ fand im Jahr 2017 in Herne statt. Auch wenn man sich damals versprach, sich wie gewohnt in zwei Jahren wiedersehen zu wollen, kam es leider anders. So verstarb im Dezember 2019 unser allseits geschätzter Meister Horst Glowinski, sodass zunächst nicht klar ob und mit wem von deutscher Seite als Lehrer die liebgewonnene Tradition der gemeinsamen Lehrgänge fortgeführt werden könnte. Zum Glück erklärte sich schnell unser Präsident und Landestrainer des AVNRW sowie Horsts langjähriger Schüler Frank Mercsak (6. DAN) bereit, als Lehrer fungieren zu wollen. Entsprechend wurde die Planung für das nächste Treffen aufgenommen und die Vorfreude auf ein Wiedersehen in Frankreich war Anfang 2020 groß. Leider kam uns dann die Corona-Pandemie dazwischen, sodass der für Mai 2020 geplante Lehrgang nicht stattfinden konnte. Auch 2021 machte uns Corona wieder einen Strich durch die Rechnung. Um so größer war dann die Erleichterung, dass es im Mai 2022 endlich wieder möglich war einen internationalen Lehrgang durchzuführen und somit die Freundschaft zwischen unseren Verbänden aktiv auf und neben der Matte neu zu beleben. Dem Lehrgang vom 27.05. bis 29.05.2022 in Moissy Cramayel in der Nähe von Paris stand somit nichts mehr im Wege.
Los ging es früh morgens um 7 Uhr bereits am 26.05.2022. Gemeinsam mit unserem Busfahrer Andy fuhren wir 15 Aikidoka des AVNRW mit einem Kleinbus Richtung Paris. Ohne größere Zwischenfälle oder Staus erreichten wir am Nachmittag unser Hotel in Lieusaint Carré Sénart. Bereits am ersten Abend fand dann das langersehnte Wiedersehen mit unseren französischen Freunden vom Le Cercle d’Aïkido Traditionnel statt. Diese empfingen uns sehr herzlich auf einem Landgut, in der Nähe des Dojos zum gemeinsamen Abendessen. Bei gutem Essen und nicht weniger gutem Wein konnten wir alte Freunde wiedertreffen und neue kennenlernen.
Der Lehrgang startete am nächsten Morgen um 9.30 Uhr. Neben uns 17 deutschen Aikidoka (wir hatten zwischenzeitlich Verstärkung durch Karl und Renate Behnke erhalten, die mit ihrem Campingbus angereist waren) nahmen ca. 60 Aikidoka aus allen Teilen Frankreichs an dem dreitägigen Lehrgang teil. Alle waren sichtlich erfreut nach zwei Jahren Corona wieder einmal eine volle Lehrgangsmatte sehen zu können. Das Teilnehmerfeld war dabei im wahrsten Sinne des Wortes bunt gemischt, sodass vom 6. Kyu bis zum 7. DAN alles auf der Matte vertreten war. Dabei gab es überhaupt keine Berührungsängste, sodass Verbandszugehörigkeit, mögliche Sprachbarrieren oder Kenntnisstand im Aikido keine Rolle bei der Wahl des jeweiligen Trainingspartners spielten.
Zu Beginn des Lehrgangs bekräftigen beide Seiten die besondere Bedeutung dieser länderübergreifenden Freundschaft und brachten die Freude über das gemeinsame Wiedersehen nach nunmehr fünf Jahren zum Ausdruck. Als Zeichen unserer Verbundenheit überreichten wir unseren französischen Freuden zwei Gastgeschenke. Zum einen ein Bonsai, der symbolisch für unsere Freundschaft steht. So wächst er im Kleinen, kann aber starke, haltgebende Wurzeln entwickeln, wenn man ihn gut pflegt. Zum anderen überreichten wir ein Bildnis von O’Sensei, der mit seiner universellen Botschaft des Friedens eine solche langjährige Freundschaft im Geiste des Aikido erst möglich gemacht hat. Schließlich legte wirmit der ersten Trainingseinheit los. Unser Lehrer Frank Mercsak nutze verschiedene Grundtechniken, um die Bedeutung konsequenter Führung und Gleichgewichtsbrechung herauszuarbeiten. Die zweite Trainingseinheit am Nachmittag übernahm Jean-Yves Le Marcou (7. DAN) vom Le Cercle d’Aïkido Traditionnel. Nach einem etwas ungewohnten „Warm-Up“, das aus der dynamischen Durchführung der Hebel von Ikkyo bis Gokyo bestand, ging es direkt zur Sache. Mit seinen kurzen, aber sehr effektiven Techniken brachte uns Meister Jean-Yves ganz schön ins Schwitzen. Eine Spezialität waren hier die Techniken mit dem Kurzstock (Tanbo), bei denen nicht nur eine sehr präzise Führung von Uke im Zentrum notwendig war, sondern mit dem sich, wie wir selbst intensiv spüren konnten, auch sehr schmerzhafte Verhebelungen setzen lassen. Nach einem anstrengenden, aber auch sehr lehrreichen ersten Trainingstag, überraschten uns unsere französischen Gastgeber mit einem „magischen Abend“. Neben einem opulenten Buffet und erneut reichlich Gelegenheiten miteinander anzustoßen, bildete der Auftritt eines Zauberkünstlers den offiziellen Höhepunkt des Abends. Der inoffizielle Höhepunkt, so berichteten uns zumindest unsere jüngeren Aikidoka, war dann jedoch die Disco zu späterer Stunde des Abends.
Etwas müde, jedoch weiterhin voll motiviert, ginge es am nächsten Morgen pünktlich um 9.30 Uhr weiter auf der Matte. Die Vormittagseinheit gestaltete erneut unser Meister Frank Mercsak. Einen Schwerpunkt bildeten hierbei verschiedene Verteidigungstechniken mit dem Stab. Die gezeigten Varianten, z.B. eine dynamische Form des Irmi-Nage, brachten dabei auch einige der französischen DAN-Träger ganz schön ins Schwitzen. Für den Nachmittag stand ein besonderer Programmpunkt an: ein Besuch des Naherholungsgebiets Fontainebleau. Dort erwarteten uns unsere französischen Freunde bereits mit kühlem Bier und einer Einladung zum Picknick. Bei bestem Wetter, der Sonnenkönig hätte seine Freude gehabt, ließen wir es uns in der Natur gut gehen. Allerdings war es dann um kurz nach 15 Uhr auch schon wieder vorbei mit dem Müßiggang, da die nächste Trainingseinheit direkt auf einer angrenzenden Wiese stattfinden sollte. Unter Anleitung von Meister Jaques Valere übten wir uns in verschiedenen Kata-Formen mit dem Katana. Unter den staunenden, vielleicht auch etwas eingeschüchterten Blicken der sonstigen Parkbesucher versuchten wir die gezeigten Formen des kunstvollen Schwertziehens nachzuvollziehen. Nach den sechs gezeigten Formen rauchte zumindest uns Deutschen, die nicht regelmäßig mit dem Katana üben, ziemlich der Kopf. Wir versprachen Meister Jaques aber diese fleißig bis zum Wiedersehen in zwei Jahren zu üben. Zum Abschluss des Tages traf man sich erneut bei einem reichhaltigen Buffet zu einem geselligen Abend. Mögliche Sprachbarrieren wurden nicht nur mit dem reichlich ausgeschenkten Wein überwunden, sondern auch die Übersetzungs-App auf dem Handy lieferte uns wertvolle Dienste.
Am Sonntag, dem letzten Tag des Lehrgangs, rundete unser Meister Frank Mercsak, mit verschiedenen Techniken sowohl im Stand als auch auf Knien das Programm ab. Zum Schluss wurde die sehr gute Organisation des Lehrgangs gelobt und sowohl dem Team von Meister Geoffrey Cartaut vom Verein in Moissy Cramayel wie auch den Lehrern für ihren Einsatz herzlichst gedankt. Insgesamt war es ein sehr gelungener Lehrgang, der dem Motto „L’aïkido, c’est l’amitié“ vollkommen gerecht wurde. Nach einer sehr herzlichen Verabschiedung machten wir uns gegen Mittag auf die Rückreise nach Deutschland. Im Gepäck neue und erneuerte Freundschaften im Aikido.
Wir freuen uns schon sehr im Mai 2024 unsere französischen Freunde in Herne begrüßen zu dürfen. Allerdings liegt die Latte hinsichtlich der Gastfreundschaft ganz schön hoch! Aber wir haben zum Glück noch fast zwei Jahre bis zum den nächsten Lehrgang Zeit, um uns etwas Besonderes einfallen zu lassen.
Text: René Schroeder (KSV Herne)
Fotos: privat